Weltenergieausblick 2006 zeigt den Weg in eine sauberere, intelligentere und auf mehr Wettbewerb basierende Energieversorgung
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„Die führenden Politiker der Welt haben entschieden, entschlossen und schnell die Energiezukunft zu ändern. Der Weltenergieausblick 2006 zeigt, wie dieser Entschluss in die Tat umgesetzt werden kann“, sagte Claude Mandil, geschäftsführender Direktor der Internationalen Energieagentur (IEA), bei der Vorstellung des jährlichen Weltenergieausblicks (WEO) in London, der wichtigsten Publikation der in Paris ansässigen Sonderorganisation der OECD. „Der WEO 2006 zeigt, wenn sich die laufende Entwicklung fortsetzt, dass die Energieversorgung in Zukunft schmutzig, unsicher und teuer sein wird. Der Bericht zeigt aber auch, wie politische Maßnahmen zu einer Energieversorgung führen können, die sauber und intelligent ist und in der Wettbewerb herrscht. Genau eine solche Analyse hatten die Führer der G8 und die Minister der IEA-Staaten von der IEA verlangt“, so Mandil.
In einem Referenzszenario, das die heutigen Trends an den Energiemärkten ohne weitere politische Initiativen fortschreibt, steigt der weltweite Primärenergieverbrauch zwischen heute und 2030 um 53 Prozent. Über 70 Prozent dieses Anstiegs entfallen auf die Entwicklungsländer, allen voran auf China und Indien. Die Importe von Öl und Gas der OECD und der asiatischen Schwellenländer steigen in dieser Projektion sogar schneller als die Gesamtnachfrage. Der weltweite Ölverbrauch würde bis 2030 auf 116 mb/d (Millionen Barrel pro Tag) steigen, gegenüber 84 mb/d im Jahr 2005. Der überwiegende Teil des zusätzlichen Ölangebots wird von einer kleinen Zahl größerer OPEC-Mitglieder kommen; die Ölproduktion der Nicht-OPEC-Länder wird in der Mitte der nächsten Dekade ihren Höhepunkt erreichen. Bis 2030 werden die weltweiten CO2-Emissionen 40 Gt (Gigatonnen) erreichen und damit 55 Prozent über heutigem Niveau liegen. China wird die USA als größter CO2-Emittent noch vor dem Jahr 2010 ablösen. Eine solche Entwicklung würde die Verwundbarkeit der Verbraucherländer durch Lieferausfälle und den daraus resultierenden Preisschocks weiter erhöhen. Sie würde auch den Klimawandel weiter forcieren.
Entschlossene politische Maßnahmen sind deshalb nötig, um die Welt auf einen nachhaltigeren Energiepfad zu lenken. Ein Alternatives Politikszenario zeigt, dass die zukünftige Energieversorgung wesentlich verbessert werden kann, wenn Regierungen rund um die Welt Politiken und Maßnahmen umsetzen, die derzeit bereits erwogen werden. In einem solchen Szenario würde der Primärenergieverbrauch gegenüber der Referenzprojektion bis 2030 um zehn Prozent reduziert – und damit um den gesamten heutigen Energieverbrauch Chinas. Die weltweiten CO2-Emissionen würden um 16 Prozent geringer ausfallen – was den derzeitigen Emissionen von USA und Kanada entspricht. In den OECD-Ländern würden Öl-Importe und CO2-Emissionen im Jahr 2015 ihren Höchststand erreichen und dann zurückgehen. Bessere Energieeffizienz würde dabei den größten Beitrag zur Energieeinsparung leisten. Ein verstärkter Einsatz von Kernenergie und erneuerbaren Energien würde ebenfalls zu einem verminderten Verbrauch an fossilen Energieträgern und zu geringeren Emissionen beitragen. Gerade einmal ein Duzend politischer Maßnahmen in den entscheidenden Staaten steht für 40 Prozent der so erreichbaren CO2-Reduktionen. Die geänderten Trends in der Energieversorgung würden die drei wichtigsten Ziele der Energiepolitik fördern: mehr Sicherheit, mehr Umweltschutz und eine höhere ökonomische Effizienz.
„Die gute Nachricht ist“, so Mandil, „dass diese Politiken alle sehr kosteneffizient sind. Es gibt zusätzliche Belastungen zu Anfang, diese werden aber schnell durch Einsparungen bei den Brennstoffkosten wettgemacht. Gleichzeitig sind die Investitionen, die die Verbraucher tätigen müssten, geringer als die Investitionen die sonst für die Erweiterung der Energieinfrastruktur nötig wären. Investitionen in effizientere Elektrogeräte sind dabei besonders wirtschaftlich. Im Durchschnitt ersetzt ein Dollar, der in effizientere Geräte investiert wird, zwei Dollar Investitionen in Stromerzeugung, Übertragung und Verteilung.“
Das Bild der Energieversorgung hat sich seit dem Weltenergieausblick 2004, der letzten größeren Revision der IEA-Prognosen, stark gewandelt. Die Situation auf den Energiemärkten ist schwieriger geworden und die relativen Preise der einzelnen Brennstoffe haben sich verschoben. Die Preise für Öl und Gas waren im Schnitt um das drei- bis vierfache höher als 2002 und dies spiegelt sich auch den Preisannahmen für unsere Projektionen wider. Gleichzeitig ist das Weltwirtschaftswachstum robust geblieben, da die wachstumsdämpfenden Effekte der hohen Energiekosten durch andere Faktoren ausgeglichen wurden. Kohle ist heute für die Stromproduktion billiger als Erdgas, Kernkraft in einigen Fällen billiger als Kohl und Gas – und das selbst wenn CO2-Emissionen nicht durch Abgaben belastet werden. Ein Großteil der zusätzlichen Energienachfrage ist auf Kohle entfallen und die Nachfrage ist stärker gewachsen als im vergangen Weltenergieausblick angenommen. China und Indien sind die Länder, die vor allem hinter der gestiegenen Nachfrage stehen.
„Der WEO 2006 zeigt auf, dass zu geringe Investitionen in neue Energieangebote ein reales Risiko sind“, sagte Mandil. Um den wachsenden Energiedurst in der Welt zu stillen, wird in den Projektionen des Referenzszenarios für die Jahre 2005 bis 2030 von einem Gesamtinvestitionsbedarf für Infrastruktur von 20 Billionen US-Dollar zu heutigen Preisen ausgegangen. Ungefähr die Hälfte der notwendigen Investitionen müsste in den Entwicklungsländern stattfinden. Es ist jedoch keineswegs sicher, dass all diese Investitionen auch tatsächlich getätigt werden. So haben sich auf den ersten Blick die Investitionen im Öl- und Gasbereich in den vergangen Jahren zwar erhöht, doch die Zahlen spiegeln die Realität nicht korrekt wider. Kosten für Exploration, Material und Personal haben sich stark erhöht, so dass real die Investitionen 2005 kaum höher lagen als im Jahr 2000.
Weiter zeigt der Bericht, dass Kernenergie einen wesentlichen Beitrag leisten kann zur Verringerung der Abhängigkeit von Importgas und zu einer kostengünstigen Reduzierung der CO2-Emissionen. Dazu wird es allerdings nur kommen, wenn in den Ländern, in denen Kernenergie akzeptiert ist, sich die Regierungen stärker dafür einsetzen, dass private Investitionen in einem liberalisierten Markt erleichtert werden. „Die Kernenergie bleibt eine potentiell attraktive Option, um die Sicherheit der Stromversorgung zu erhöhen und um CO2-Emissionen zu vermeiden – jedoch ist die Finanzierung der notwendigen Investitionen nach wie vor eine Herausforderung“, unterstrich Mandil.
Biokraftstoffe könnten einen bedeutenden Beitrag leisten, um den Energiebedarf im Straßenverkehr zu decken, und sie könnten gleichzeitig zu einer Diversifizierung der Versorgung und zur Reduktion der Emissionen beitragen. Biokraftstoffe decken im Referenzszenario bis 2030 vier Prozent des Energieverbrauchs im Straßenverkehr und sieben Prozent im Alternativszenario gegenüber einem Prozent heute. Die USA, die EU und Brasilien stehen für den Großteil des globalen Anstiegs und bleiben die größten Produzenten und Verbraucher in beiden Szenarios. Allerdings werden ein steigender Nahrungsmittelbedarf, der mit Biokraftstoffen um die vorhandenen Flächen für Getreideanbau und Weideland konkurriert, und die Notwendigkeit von Subventionen in vielen Teilen der Welt das langfristige Potential für die Biokraftstoffproduktion beschränken, jedenfalls mit den derzeit genutzten Technologien. Allerdings könnten neue Technologien zur Biokraftstoffproduktion, vor allem lignozellulosisches Ethanol, dieser Energiequelle zu einer größeren Bedeutung verhelfen – vorausgesetzt technische und wirtschaftliche Probleme werden gemeistert.
Die IEA hat den Weltenergieausblick 2006 mit Hilfe zahlreicher herausragender Experten aus Regierung, Industrie und Forschung erstellt. Der jährliche erscheinende Weltenergieausblick ist seit langem als wichtigste Quelle für prospektive Energiemarktstudien anerkannt und hat zahlreiche Auszeichnungen von angesehenen Organisationen in der ganzen Welt erhalten.